Kolumne # 511 vom 9.10.2010: Ein Mann des Klans

09.10.10 Robert C. Byrd war gegen den Irak-Krieg, weil er sich als Senator übergangen fühlte

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 236 – 9./10. Oktober 2010

Personen des öffentlichen Lebens können wie ein Abbild der Geschichte und der Leitkultur ihres Landes sein. Das trifft sicher auf den in diesem Sommer im Alter von 93 Jahren verstorbenen Robert Carlyle Byrd zu. In seinen Nachrufen als »Senator und Kongreßmitglied mit der längsten Amtszeit der US-Geschichte« bezeichnet zu werden, hätte der Politiker, der auch ein respektabler Historiker war, sicher als Ehrentitel empfunden.
Byrd wurde 1917 als Cornelius Calvin Sale Jr. in North Carolina geboren. Seine Mutter starb während der Grippepandemie 1918. So kam der einjährige Cornelius zu Tante und Onkel Byrd, und aus ihm wurde Robert Byrd, der fortan in einer armen Bergbauregion West Virginias aufwuchs. Trotz seiner Armut schaffte er die High School. Aber er war mehr als ein kluger Schüler, denn er entwickelte unter dem Einfluß seiner Familie schon früh eine vom Rassismus der Südstaaten geprägte politische Haltung. Als junger Erwachsener war er bereits hochrangiges Mitglied des Ku Klux Klan (KKK), dem terroristischen Arm der Demokratischen Partei. Sie war damals noch die Partei jener Kräfte, die lange Zeit der Sklaverei nachtrauerten, die unter dem republikanischen Präsidenten Abraham Lincoln abgeschafft worden war.
Byrds KKK-Mitgliedschaft war im konservativen West Virginia ein Freifahrtschein in hohe politische Ämter. So begann Byrds politische Karriere 1953 im Repräsentantenhaus. Sechs Jahre später schon war er Senator und blieb es bis zu seinem Tod. Von 1959 an wurde er zur Verkörperung West Virginias, und er formte umgekehrt den US- Bundesstaat nach seinem Bilde.
Seine Biographen erwähnen die Klan-Mitgliedschaft als »jugendliche Unbesonnenheit«, quasi als vorübergehende Laune. Damit tun sie ihm aber unrecht, denn der ausgewiesene Historiker Byrd schrieb Geschichte, als er 1967 gegen den Aufstieg Thurgood Marshalls in den Olymp des Obersten Gerichtshofs der USA opponierte. Marshall war zu jener Zeit einer der erfolgreichsten Rechtsanwälte der USA, der 29 von 32 Verfahren vor dem höchsten Gericht der USA gewonnen hatte. Darunter war das unter »Brown vs. Board of Education« am 17. Mai 1954 ergangene Grundsatzurteil, mit dem der Oberste Gerichtshof einstimmig die vorher fast einhundert Jahre geltende Rechtsprechung über die getrennte Erziehung von schwarzen und weißen Kindern an staatlichen Schulen in den Vereinigten Staaten aufhob.
Warum widersetzte sich Byrd der Ernennung Marshalls, obwohl dieser sich schon fünf Jahre als Bundesrichter und zwei Jahre als Generalstaatsanwalt bewährt hatte und ganz sicher im Sinne der Justiz ein hervorragender Vertreter seiner Generation war? Ganz einfach: weil er auf den Stühlen des höchsten Gerichts keinen Schwarzen sehen wollte. Punkt. Eine »jugendliche Unbesonnenheit«? Byrd war fünfzig, als er gegen Marshalls Ernennung stimmte.
Senator Robert C. Byrd war ein Mann seiner Zeit und der Verhältnisse, die ihn prägten. Er unterschied sich von seinesgleichen erst, als er, mit der Verfassung in seiner Hand wedelnd, gegen George W. Bushs Absicht opponierte, Krieg gegen Irak zu führen. Für Byrd war das ein klarer Verstoß gegen die Verfassung. Er stimmte gegen die Autorisierung des Präsidenten zur Kriegführung, weil nur der Kongreß einen Krieg erklären dürfe, nicht aber der Präsident.
Byrd entwuchs bescheidenen Verhältnissen, weil er Schneid hatte, klug war und von einer verbissenen Entschlossenheit getrieben wurde. Er wachte über sein Amt wie ein Pitbull über seinen Knochen. Ganz nebenbei spielte er Geige auf eine virituose Art. Aber zuallererst war er aus tiefster Überzeugzung ein Klansman.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 24.11.2024 um 01:32:40 Uhr