Aus: junge Welt Nr. 264 – 11. November 2010
Begleitet vom Protest einiger hundert Demonstranten mit »Free Mumia!«-Schildern, fand am Dienstag nachmittag (Ortszeit) im Fall des zum Tode verurteilten US-Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal vor dem 3. Bundesberufungsgericht in Philadelphia eine Anhörung statt. Staatsanwaltschaft und Verteidigung bekamen Gelegenheit, dem zweithöchsten US-Gericht in je 30 Minuten ihre Argumente vorzutragen. Zur Entscheidung steht die Frage, ob das gegen Abu-Jamal am 3. Juli 1982 wegen angeblichen Polizistenmordes verhängte Todesurteil beibehalten oder in lebenslange Haft umgewandelt wird.
Wegen eines Falles aus Ohio, in dem das Todesurteil gegen den geständigen dreifachen Mörder und Hitler-Verehrer Frank Spisak zwar in Lebenslang umgewandelt, was vom Obersten Gerichtshof der USA aber wieder aufgehoben worden war, hatten die höchsten US-Richter das Verfahren im Januar 2010 an das Bundesgericht zurückverwiesen. In beiden Fällen, die darüber hinaus keine Gemeinsamkeiten haben, weil Abu-Jamal immer betont hat, den Polizisten Daniel Faulkner 1981 nicht erschossen zu haben, ging es darum, daß mildernde Umstände bei der Urteilsfindung nicht ausreichend berücksichtigt worden waren.
Staatsanwalt Hugh J. Burns aber wollte in seiner Einlassung keine Unterschiede zwischen den Fällen Spisak und Abu-Jamal sehen. Seiner Meinung nach müsse auch bei Abu-Jamal die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gelten, daß allein mildernde Umstände nicht zwingend die Umwandlung der Todesstrafe erforderlich machten. Außerdem, so Burns, seien die Geschworenen im Fall Abu-Jamals »niemals belehrt worden, sie hätten mildernde Umstände nur einstimmig vorbringen können«. Der in den Akten vorhandene Nachweis dieser falschen Belehrung durch das erkennende Gericht, das Abu-Jamal im Juli 1982 zum Tode verurteilte, hatte aber bereits 2001 William Yohn, Einzelrichter am Bundesbezirksgericht in Philadelphia, dazu veranlaßt, in einer nicht rechtskräftig gewordenen Entscheidung die Umwandlung der Todesstrafe anzustreben.
Judith L. Ritter, die Abu-Jamal in der Anhörung anstelle von Hauptverteidiger Robert R. Bryan vertrat, verwies auf diesen neun Jahre zurückliegenden Richterspruch, dem sich das Bundesberufungsgericht im März 2008 im wesentlichen angeschlossen hatte, und schloß ihre rechtlichen Ausführungen: »Das hier tagende Gericht hat sich unserer Argumentation schon einmal angeschlossen, und es scheint, daß es keinen Grund dafür hat, seine Meinung zu ändern.«
Ritter wurde dadurch bestätigt, daß Bundesrichter Thomas L. Ambro, der 2008 in einem Minderheitsvotum erfolglos dafür plädiert hatte, Abu-Jamal einen neuen Prozeß zu gewähren, bohrende Fragen an den Vertreter der Anklage richtete. Ambro konterte die Behauptung von Burns, der Fall Abu-Jamals sei völlig identisch mit dem Spisaks: »Sie mögen recht haben, aber es gibt auch die nicht unbeträchtliche Möglichkeit, daß Sie falsch liegen.«
Ritter, die sich nach der Verhandlung zufrieden zeigte, erklärte, für den Fall, daß das Bundesgericht zugunsten ihres Mandanten entscheide, werde eine neu zu wählende Jury das endgültige Strafmaß festlegen. Eine Entscheidung des Bundesberufungsgerichts wird erst in einigen Monaten erwartet.
Die Fraternal Order of Police (FOP), eine rechte Standesorganisation der Polizei, die seit vielen Jahren eine Kampagne gegen Mumia Abu-Jamal führt und dazu immer wieder »Grillt Mumia«-Zeichen verteilt, nutzte die Anhörung auf ihre Weise. Sie ließ demonstrativ eine Phalanx von Polizistenwitwen aufmarschieren, für die eine ganze Sitzreihe hinter der Bank der Staatsanwälte reserviert war.