Aus: junge Welt Nr. 296 –18./19. Dezember 2010
Seit August 2005 wurden im Irak 257 Menschen hingerichtet, darunter sechs Frauen. Das berichtete am Donnerstag die Internetzeitung Middle East Online unter Berufung auf ein Interview mit dem stellvertretenden irakischen Justizminister Busho Ibrahim. Nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 war die Todesstrafe zunächst ausgesetzt, mit einer neuen Verfassung 2005 aber wieder eingeführt worden. Während der Minister für 2009 die Zahl der Hinrichtungen mit 124 angab, darunter vier Frauen, seien die Hinrichtungen 2010 auf bisher 17 zurückgegangen. Die Todesstrafe steht im Irak auf Mord, Terrorismus, Entführung, Drogenhandel und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wird am Galgen vollstreckt.
Nach Angaben des irakischen Innenministeriums sitzen in den Todeszellen derzeit 835 Gefangene, darunter auch der frühere Außenminister Tarik Aziz. Laut Verfassung muß jede Todesstrafe durch das Büro des Staatspräsidenten bestätigt werden. Bei 37 der aktuellen Todeskandidaten ist dies nach Auskunft von Busho Ibrahim bereits geschehen, so daß diese jederzeit hingerichtet werden können. Da der irakische Präsident Dschelal Talabani ein entschiedener Gegner der Todesstrafe ist und aus Prinzip keine Todesurteile unterzeichnet, wurden die Hinrichtungen bisher immer von einem seiner Stellvertreter genehmigt. Der alte und neue Ministerpräsident Nuri Al-Maliki ist hingegen ein Befürworter der Todesstrafe. Ihm unterstellte Milizen haben, wie im April 2010 bekannt wurde, in einem Geheimgefängnis auf dem früheren Muthanna Flughafen in Bagdad mehr als 400 Gefangene festgehalten und gefoltert. Maliki gab damals an, nichts davon gewußt zu haben.
Die 33 irakischen Gefängnisse, die dem Justizministerium unterstehen, sollen nach Auskunft des stellvertretenden Justizministers bis 2015 auf »internationalen Standard« gebracht und umfangreich renoviert werden. Im Irak gibt es verschiedene Kategorien von Haftanstalten, die dem Justiz-, dem Innen- oder dem Verteidigungsministerium unterstehen. Auch die kurdische Regionalregierung im Nordirak betreibt eigene Gefängnisse. Erst nach einer endgültigen Verurteilung werden die Gefangenen dem Justizministerium unterstellt. Derzeit sitzen in den offiziellen irakischen Gefängnissen 24783 Gefangene ein, darunter 130 Jugendliche und 341 Frauen. Folter und entwürdigende Behandlung in den Gefängnissen gehören nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen, Gefangenen und Angehörigen zum Alltag.
Trotzdem unterstützt die Bundesregierung das irakische Rechtssystem im Rahmen der »Integrierten Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union für Irak« (EUJUST LEX) sowohl finanziell als auch mit der Ausbildung von Richtern, Polizisten und Strafvollzugsbeamten. Zwischen 2005 und 2010 kostete die Mission, bei der »rechtsstaatliche Prinzipien« und die »Einhaltung der Menschenrechte« ein zentrales Anliegen sein sollen, 40 Millionen Euro. Diese Summe wird jetzt drastisch erhöht. Allein für die ersten zwölf Monate der im Juni 2010 um zwei Jahre verlängerten Mission sind bisher 17 Millionen Euro eingeplant.