Aus: junge Welt Nr. 66 – 19./20. März 2011
Freiheit für Bradley Manning!« und »Stoppt die Kriegsmaschine!« werden an diesem Wochenende zentrale Parolen vieler Demonstrationen in den USA, Kanada, Australien und Europa lauten. Die Solidarität mit dem als »Whistleblower« verdächtigten Obergefreiten der US-Armee nimmt damit deutlich Fahrt auf. Motto: »Wir alle sind Bradley Manning!«
Das ist auch nötig, denn Mannings Haftsituation hat sich dramatisch verschärft. Seit über 300 Tagen hält das Pentagon ihn in Isolationshaft, und die Schikanen im Haftalltag nehmen zu. Für Jeff Paterson vom Bradley Manning Support Network wird der 23jährige Soldat damit schon vor dem Prozeß für seine Standhaftigkeit bestraft: »Aus der Untersuchungshaft eine Strafhaft zu machen, ist unmenschlich.« Die Unschuldsvermutung gelte auch für Manning. Jedoch werde er, der beschuldigt wird, Beweise für Kriegsverbrechen an Wikileaks weitergegeben zu haben, wie ein Schwerverbrecher behandelt, während die Kriegsverbrecher unbehelligt blieben.
Der UN-Sonderberichterstatter für Folter und Amnesty International befassen sich schon seit Monaten mit Vorwürfen, Bradley Mannings Haftbedingungen im Militärgefängnis der US-Marinebasis Quantico in Virginia erfüllten den Tatbestand der Folter.
Susan Lee von Amnesty International: »Wir sind besorgt, daß Bradley Mannings Haftbedingungen unnötig hart und unmenschlich sind.« Seit Juli 2010 sitze Manning 23 Stunden pro Tag in einer kahlen Einzelzelle, so Lee weiter, wo ihm alle persönlichen Dinge entzogen seien und er weder Kissen noch Bettlaken für seine Pritsche habe. Und das, obwohl ihm nachts seine Kleidung weggenommen wird.
In einem Schreiben an US-Verteidigungsminister Gates kritisiert Amnesty International, der Gefangene werde in »verschärfter Einzelhaft« gehalten, obwohl er weder eine Gewalttat begangen habe noch in der Haft disziplinarisch belangt worden sei. »Bei Besuchen wird er an Händen und Füßen gefesselt.« Susan Lee ist deshalb besorgt, daß diese Behandlung sowie »Isolation und ständiger Aufenthalt in der Zelle zu psychischen Beeinträchtigungen führen und Mannings Fähigkeit mindern könnten, sich angemessen zu verteidigen«.
Für die Manning-Solidaritätsbewegung in den USA ist es kein Zufall, daß die Verschärfung der Haftbedingungen Anfang März einherging mit der Zuspitzung der Hauptanklage auf die angebliche »Unterstützung des Feindes«. Rechtlich sind damit die Voraussetzungen geschaffen, daß ein Militärgericht auch die Todesstrafe gegen Manning verhängen könnte.
Law & Order-Politiker haben in den vergangenen Wochen immer wieder gefordert, Wikileaks zu schließen und Manning hart anzufassen. »Wenn er wegen Hochverrats verurteilt wird«, so der republikanische Abgeordnete Mike Rogers aus Michigan, »dann wäre ich absolut für die Todesstrafe!« Mike Huckabee, republikanischer Exgouverneur von Arkansas, ist sogar die Todesstrafe noch zu human: »Wer immer diese Informationen veröffentlicht hat, ist ein Verräter, und selbst Hinrichtung ist noch eine zu sanfte Strafe!«
Die Kriegsgegner in den USA werfen der US-Regierung vor, in schwierigen politischen Zeiten offenbar mit der gnadenlosen Verfolgung Bradley Mannings alle Kriegsgegner abschrecken zu wollen und, so Netzwerk-Sprecher Paterson, »eine lange Tradition von Whistleblowing zerschlagen – Männer und Frauen, die Verbrechen und Missetaten von Regierungen ans Licht gezerrt haben«. Um dem entgegenzuwirken, unterstützt auch Daniel Ellsberg, der legendäre Pentagon-Papiere-Whistleblower von 1971, Bradley Manning und wird am Sonntag Hauptredner vor dem Militärgefängnis der Quantico Marinebasis sein.
Autor: Jürgen Heiser
Quelle: http://www.jungewelt.de/2011/03-19/022.php