Aus: junge Welt Nr. 64 – 15. März 2012 / Von Jürgen Heiser
Heute und morgen findet in den USA eine weitere öffentliche Anhörung gegen den mutmaßlichen »Whistleblower« Bradley Manning statt. Vor dem US-Militärgericht in Fort Meade, Maryland, wird es um zwei wesentliche Fragen des vom Pentagon angestrebten Hauptverfahrens gehen. Das Gericht wird die Liste der Zeugen festlegen, die zum Prozeß geladen werden. Sprecher des »Bradley Manning Support Networks« erwarten, daß die Belastungszeugen der Anklage gegenüber den Entlastungszeugen der Verteidigung dabei die überwiegende Mehrheit stellen werden.
Im Mittelpunkt wird jedoch die Streitfrage stehen, wann der Militärgerichtsprozeß gegen den 24jährigen Obergefreiten beginnen soll. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits in der letzten Anhörung am 23. Februar erklärt, nicht vor August 2012 in der Lage zu sein, über die Vorwürfe gegen Manning verhandeln zu können. Der Nachrichtenanalyst soll sich nach den Vorstellungen des Pentagon »der Unterstützung des Feindes« schuldig gemacht haben, indem er der Enthüllungsplattform Wikileaks Hunderttausende US-Dokumente und Verschlußsachen aus den Kriegen in Afghanistan und Irak zuspielte. Ihm droht dafür lebenslange Haft.
Gegen einen Verhandlungsbeginn im August hat Mannings Hauptverteidiger David Coombs Rechtsmittel eingelegt. Mit Blick auf die seit 650 Tagen andauernde Untersuchungshaft, die sein am 26. Mai 2010 in Bagdad verhafteter Mandant zu erleiden habe, drängt Coombs auf einen baldigen Verhandlungsbeginn im Mai. In seiner Argumentation insistiert der Anwalt vor allem auf die achtmonatige strenge Isolationshaft, mit der Manning nach Überstellung in das Militärgefängnis der Quantico-Marinebasis in Virginia zu einem Geständnis gebracht und zu einem Kronzeugen gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange gemacht werden sollte. So jedenfalls die Einschätzung von Verteidigung und Solidaritätsbewegung, die erst im April 2011 nach internationalen Protesten erreichten, daß Manning nach Fort Leavenworth verlegt wurde, wo er seitdem gelockerte Haftbedingungen hat.
Die Aufhebung der Isolationshaft hatte auch Juan Mendez, der UN-Sonderberichterstatter für Folter, gefordert, dem das Pentagon bis heute einen unüberwachten Besuch bei Manning verweigert. Mendez hatte immer wieder erklärt, eine »vertrauliche und unüberwachte Kommunikation« sei eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß er seiner Aufgabe verläßlich nachkommen und die tatsächliche Lage des Gefangenen untersuchen könne. Nach einem Treffen mit hochrangigen Vertretern des Pentagon hatte dessen Justitiar Jeh Johnson jedoch gegenüber Mendez schriftlich erklärt, ein »vertrauliches Gespräch mit dem Gefreiten Manning« sei nicht zu erwarten.
Unbeeindruckt von dem diplomatischen Affront gab Mendez am vergangenen Montag in Genf seine formale Verurteilung der Haftbedingungen Mannings bekannt. Das Ergebnis seiner vierzehnmonatigen Untersuchungen ist in seinem turnusmäßigen »Bericht über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte« an die Vollversammlung der Vereinten Nationen enthalten. Er kommt darin zu dem Schluß, daß »die Verhängung von verschärften Strafhaftbedingungen gegen jemanden, der keines Verbrechens schuldig gesprochen wurde, einen Verstoß gegen sein Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und den Grundsatz der Unschuldsvermutung« darstelle.
Gegenüber dem britischen Guardian nannte Mendez die Isolationshaft gegen Manning »eine zumindest grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und damit einen Verstoß gegen Artikel 16 der Antifolterkonvention«.