Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 83 – 7.-9. April / Ostern 2012
Bundesrichter Richard Cebull aus Helena, Montana, der zu den am meisten geachteten und mächtigsten Akteuren des gesamten Justizsystems der Vereinigten Staaten gehört, macht sich einen Spaß und verschickt im Februar 2012 von seinem Dienstcomputer aus einen Witz an seinen engsten Freundeskreis. So weit, so gut. Der Witz stellt jedoch eine rassistische Beleidigung des amtierenden US-Präsidenten Barack Obama und seiner Mutter dar.
Die Medien bekommen eine Kopie der E-Mail zugespielt und machen die Sache öffentlich. Der Bundesrichter entschuldigt sich umgehend förmlich, bezeichnet den Vorgang aber als »privat« und weist es von sich, ein Rassist zu sein. Natürlich ist er das nicht. Ein Richter, also jemand, der darauf vereidigt ist, die Grund- und Verfassungsrechte aller US-Bürger zu schützen, verbreitet privat rassistische Witze über den Präsidenten der Vereinigten Staaten – aber er ist natürlich kein Rassist!
Wenn man die Medien als Gradmesser nimmt, dann ist es tatsächlich so, daß nur Schwarze als Rassisten vorgeführt werden. Beispielsweise Prediger Louis Farrakhan, der die Nation of Islam anführt, oder der 2001 verstorbene Dr. Khalid Abdul Muhammad, der lange Zeit der Nation of Islam angehörte, sie nach Differenzen mit Farrakhan verließ und einer der Mitbegründer der New Black Panther Party wurde.
Vor ein paar Jahren sah ich im Fernsehen einen Mann, der in der weißen Kluft des rassistischen Ku Klux Klan vor der Kamera stand und in einer landesweit ausgestrahlten Sendung erklärte, er sei kein Rassist. Wenn niemand mehr ein Rassist ist, dann wird der Rassismus unsichtbar. In den USA wird er zur Domäne angeblich »überempfindlicher« Schwarzer erklärt, die man als »Rassisten« beschimpft, wenn sie es wagen, auf den Rassismus in der Gesellschaft hinzuweisen. In Wahrheit haben wir es aber mit einer Realität zu tun, die bitter und repressiv ist wie nie zuvor – für Millionen Menschen. Abschließende Frage: Wie nennt man einen Richter, der rassistische Äußerungen von sich gibt? Antwort: »Your Honor – Euer Ehren«.
(Übersetzung: Jürgen Heiser)