»Lebenslang ist Todesstrafe auf Raten«

19.05.12 (von ivk-jW) Gespräch mit Mumia Abu-Jamal. Über seine gegenwärtigen Haftbedingungen, Rassismus in der US-Justiz, den Fall Trayvon Martin und die Occupy-Bewegung / Interview: Amy Goodman und Nermeen Shaikh

Aus: junge Welt Nr. 116 – 19./20. Mai 2012 / Wochenendbeilage

Wir dokumentieren ein Gespräch mit dem afroamerikanischen Schauspieler und Menschenrechtsaktivisten Danny Glover, das am 25. April vom freien TV- und Radioprogramm des US-Magazins »Democracy Now!« ausgestrahlt wurde. Überraschend meldete sich während der laufenden Sendung Mumia Abu-Jamal aus dem Staatsgefängnis Mahanoy in Frackville, Pennsylvania, per Telefon. Moderatorin Amy Goodman und Co-Moderatorin Nermeen Shaikh sprachen zunächst mit ihm, der am Vortag 58 Jahre alt geworden war, und übergaben dann an Danny Glover, der mit ihnen im Studio saß.

Amy Goodman: Wir unterbrechen jetzt unser laufendes Programm, weil wir gerade einen Telefonanruf von Mumia Abu-Jamal aus einem Gefängnis in Pennsylvania erhalten haben. Mumia Abu-Jamal kann nach seiner Verlegung aus dem Todestrakt zum ersten Mal wieder mit uns sprechen. Willkommen bei »Democracy Now!«, Mumia Abu-Jamal! Von wo rufen Sie uns an?

Mumia Abu-Jamal: Guten Morgen, Amy. Und guten Morgen »Democracy Now!«. Wir haben Zellenaufschluß, und ich befinde mich im Aufenthaltsraum des SCI Mahanoy, einem Gefängnis im Bezirk Schuylkill im Nordosten Pennsylvanias.

Nermeen Shaikh: Mumia Abu-Jamal, können Sie uns etwas darüber erzählen, wie sich die Haftbedingungen dort von denen des Gefängnisses unterscheiden, aus dem Sie verlegt wurden?

Mumia Abu-Jamal: Nun, in vielerlei Hinsicht sind sie ähnlich. Nur hinsichtlich ihrer Dimensionen sind sie verschieden. Das heißt, hier ist alles größer. Annähernd drei Jahrzehnte hatte ich zusammen mit einem Mitgefangenen aus dem Todestrakt »Hofgang« in einem Gehege, das man als kleinen Hundezwinger bezeichnen könnte. Der Unterschied zwischen einem solchen Zwinger und einem richtigen Hof wie hier, der sich etwa eine Meile ausdehnt und in dem sich 400 bis 500 Gefangene befinden, ist echt gewaltig.

Amy Goodman: Können Sie uns etwas über Ihre Reaktion erzählen, als Sie aus dem Todestrakt verlegt wurden, Ihnen also nicht länger der Tod drohte, Sie aber nun zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt waren?

Mumia Abu-Jamal: In Ihrer Frage ist ja schon die Antwort enthalten. Das heißt…

(Automatische Ansage: Dieser Anruf kommt aus dem Staatsgefängnis Mahanoy und unterliegt der Überwachung und Aufzeichnung)

Mumia Abu-Jamal: … Sie haben sicher schon gehört, daß ich lebenslang als »Todesstrafe auf Raten« bezeichnet habe. Das hört sich ein wenig dramatisch an, aber es ist keine Übertreibung, kommt vielmehr der Wahrheit schon sehr nahe. Und das liegt daran, daß Pennsylvania die höchste Gefängnisbelegung der USA mit Lebenslänglichen aufweist, mit dem höchsten Anteil an Minderjährigen. In Pennsylvania gibt es keine Abstufungen: alle Lebenslänglichen sitzen tatsächlich ihr ganzes Leben hinter Gittern. Auch in dieser Hinsicht hat alles hier größere Dimensionen. Und wenn man dann zum Essenfassen geht und sieht, was ich den »Eine-Million-Rollstuhlfahrer-Marsch« nenne, dann hinterläßt das einen tiefen Eindruck. 30 bis 40 Typen in Rollstühlen stellen sich in der Behindertenschlange auf, von denen ein paar noch jung sind, aber die meisten sind sehr alt. Und dann wird einem klar, daß »lebenslang« in Pennsylvania wirklich bedeutet, bis ans Ende seines Lebens eingesperrt zu sein.

Amy Goodman: Gestern gab es unter dem Motto »Occupy the Department of Justice« oder »A24«, was für den 24. April, Ihren Geburtstag steht, Proteste vor dem US-Justizministerium. Die Leute dort forderten das Ministerium und Justizminister Eric Holder auf, Ihren Fall neu aufzurollen. Was soll Ihrer Meinung nach in Ihrem Fall geschehen?

Mumia Abu-Jamal: Wie ich unseren Leuten dort in Washington D.C. gestern mitgeteilt habe, geht es offen gesagt um die Forderung nach Freiheit. Als ich heute morgen erfuhr, daß ich Sie möglicherweise anrufen könnte, dachte ich an den Fall »U.S. versus Brown«, einen Präzedenzfall nach Bundesrecht. Die Person, um die es dort geht, ist vielleicht besser als (der frühere Studentenführer und Black Panther – d. Red.) Rap Brown oder Gerold Brown bekannt. Heute nennt er sich Imam Jamil. Das ist ein älterer Fall aus den 1970er Jahren. In diesem Fall hat der Richter im Beisein anderer Leute auf einem Golfplatz in bezug auf Bruder Jamil gesagt: »Ich werde mithelfen, den Nigger loszuwerden.« Man muß das in bezug setzen zum Ausspruch von Richter Albert F. Sabo vom Staatsgericht in Philadelpia, den Sabo (während Abu-Jamals Prozeß 1982 – d. Red.) nicht vor Freunden auf einem Golfplatz von sich gegeben hat, sondern in den Räumen des Gerichts: »Ich werd ihnen helfen, den Nigger zu grillen.« Eine Gerichtsstenographin, eine Justizangestellte hat das gehört, und sie ist sicher von Berufs wegen die aufmerksamste Zuhörerin, die man sich für eine Konversation wünschen kann. Sie verdient ihren Lebensunterhalt damit, daß sie Gerichtsverhandlungen wortwörtlich protokolliert. Leider haben wir davon erst Jahre später erfahren, und als wir den Vorfall in unseren Anträgen erwähnten, wurde er von allen zuständigen Gerichten ignoriert. Nehmen Sie es als klaren Hinweis, wie unfair dieses Justizsystem ist.

Amy Goodman: Mumia Abu-Jamal, wie gestalten sich jetzt, da Sie nicht mehr im Todestrakt sind, Ihre Kontakte zu Leuten draußen, zu den Medien, und wie ist Ihr Zugang zum Telefon? Sie haben in all den Jahren so viele Probleme mit Ihren Außenkontakten gehabt, aber irgendwie haben Sie es ja immer wieder geschafft.

Mumia Abu-Jamal: Sie werden sich erinnern, es mag jetzt 15 Jahre her sein, seit ich zuletzt in Ihrer Sendung anrief. Während eines Gesprächs mit Ihnen, so um 1996 herum, war plötzlich die Leitung tot. Ein Wärter hatte das Telefonkabel aus der Wand gerissen. Ich rief »Hallo? Hallo?« ins Telefon, aber die Leitung war tot, weil es kein Kabel mehr gab, das uns verbunden hätte. Wie Sie jetzt aber sehen können, steht die Leitung heute etwas stabiler.

Amy Goodman: Sie haben dann die Gefängnisleitung dafür verklagt, daß sie das Kabel aus der Wand reißen ließ, während wir in der Sendung von »Democracy Now!« miteinander sprachen.

Mumia Abu-Jamal: Und dank der Bemühungen einiger sehr tapferer und gewissenhafter Anwälte und einer Zivilrichterin habe ich vor Gericht gewonnen – zumindest in den meisten Punkten meiner Zivilklage …

(Automatische Ansage: Dieser Anruf kommt aus dem Staatsgefängnis Mahanoy und unterliegt der Überwachung und Aufzeichnung)

Mumia Abu-Jamal: … Und dank meiner erfolgreichen Klage war es mir danach möglich, wieder zu schreiben und Kontakt mit unseren Leuten draußen zu halten. Deshalb bin ich ganz froh darüber, daß der Wärter das Telefonkabel aus der Wand gerissen hat. Das war sehr hilfreich.

Amy Goodman: Mumia Abu-Jamal, Danny Glover ist hier bei uns, um auch über Ihren Fall zu sprechen.

Danny Glover: Hallo, Mumia.

Mumia Abu-Jamal: Ja, Bruder Danny, wie geht es dir?

Danny Glover: Wie geht es dir, Bruder?

Mumia Abu-Jamal: Gut, gut, gut, gut. Gut, deine Stimme zu hören.

Danny Glover: Wie immer ist es auch gut, deine Stimme zu hören. Und ich würde mich sicherlich viel besser fühlen, wenn du ganz aus dem Knast raus wärst und nicht nur aus dem Todestrakt.

Mumia Abu-Jamal: Uns beiden ginge es dann besser.

Danny Glover: Auf alle Fälle möchte ich dir sagen – und ich bin jetzt echt bewegt, weil ich nicht damit gerechnet habe, deine Stimme heute Morgen zu hören –, daß wir uns für dich einsetzen und weiterhin für deine Freilassung kämpfen werden. Wir haben einen Brief an Justizminister Holder geschickt und ihm vorgeschlagen, ein Treffen mit uns einzuberufen. Wir fordern die Regierung dazu auf, kraft ihrer Autorität deinen Fall zu überprüfen. Du kannst dich auf uns hier draußen verlassen, wir lieben dich, Bruder.

Mumia Abu-Jamal: Hab ganz vielen Dank. Ich habe heute ganz bestimmt auch nicht damit gerechnet, deine Stimme zu hören, und deshalb bin ich jetzt auch sehr bewegt. Du bist ein Held, für die Gemeinschaft der Filmschauspieler ebenso wie für die der Theaterschauspieler und natürlich für die schwarze Gemeinschaft und darüber hinaus für die internationale Gemeinschaft wegen der guten künstlerischen Arbeit, die du leistest. Und ich freue mich und bin begeistert, dich jetzt hören zu können. Hab herzlichen Dank.

Danny Glover: Ich danke dir.

Amy Goodman: Mumia, es ist interessant, daß Sie jetzt mit Danny Glover sprechen können, der im Moment die Rolle von Thurgood Marshall (1908–1993) spielt, den ehemaligen Richter am Obersten Gerichtshof der USA, und zwar in einer Fernsehserie des Kabelfernsehsenders HBO über (den Ex-Boxchampion – d. Red.) Muhammad Ali.

Mumia Abu-Jamal (lacht): Ich glaube, auch Thurgood Marshall würde lachen, wenn er davon hören würde.

Amy Goodman: Danny Glover, was denken Sie, wie sich Thurgood Marshall zu Mumia Abu-Jamals Fall verhalten hätte?

Danny Glover: Thurgood Marshall wäre meiner Meinung nach einer der wenigen Richter gewesen, der den Fall wahrscheinlich gehört hätte, der darum gerungen hätte, den Fall zu hören, auch wenn es während der Bürgerrechtsbewegung Momente gab, in denen Thurgood Marshall sogar große Meinungsverschiedenheiten mit Martin Luther King hatte. Trotzdem denke ich, er hätte den Fall anhören wollen. In den finsteren Jahren der 1930er und 1940er Jahre, lange vor »Brown versus Board of Education« (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17. Mai 1954 zur Aufhebung der »Rassentrennung« an öffentlichen Schulen – d. Red.) kämpfte Thurgood Marshall im ganzen Süden der USA für schwarze Männer, die wegen Mordes oder Vergewaltigung im Todestrakt saßen. Wir bringen Thurgood Marshall meist nur mit der Entscheidung im Fall »Brown versus Board of Education« in Verbindung, aber seinen Kampf als Anwalt für Gefangene, die oft fälschlicherweise angeklagt waren, hat er überall im Land geführt.

Amy Goodman: Ich befürchte, daß wir die Verbindung zu Mumia Abu-Jamal gleich verlieren werden. Mumia, können Sie uns noch Ihre Gedanken über das, was Danny Glover gerade über Thurgood Marshall, den Richter am Obersten Gerichtshof, gesagt hat, mitteilen?

Mumia Abu-Jamal: Es überrascht sicher nicht, daß ich Danny Glovers Bemerkungen weitestgehend zustimme. Nach allem, was ich gelesen und gehört habe, war Richter Thurgood Marshall nicht nur ein hervorragender Jurist und Richter, er war auch ein unglaublich guter Rechtsanwalt, der sich für Leute einsetzte, die arm waren, die besitzlos und machtlos waren in den Apartheid-Südstaaten der USA. Und weil er ein schwarzer Rechtsanwalt war, machte er im Süden die Erfahrung, daß nicht nur seine Klienten, sondern auch er selbst gefährdet war. In vielen Orten drohte man ihm, er müsse noch vor Einbruch der Dunkelheit verschwinden, sonst sei ihm der Tod sicher. Wir reden hier über den amerikanischen Süden in der Mitte des 20. Jahrhunderts!
Das Gute an der Sache ist, wenn man überhaupt von etwas Gutem in diesem Zusammenhang reden kann, daß er dann, als er an den Obersten Gerichtshof berufen wurde, auf seine Erfahrungen als Anwalt der Armen, Enteigneten und Todeskandidaten zurückgreifen und seine Richterkollegen daran teilhaben lassen konnte. Kollegen, die aufgrund ihrer Herkunft einen völlig anderen gesellschaftlichen Hintergrund hatten. Und das meine ich nicht in bezug auf ihre ethnische Herkunft, sondern ihre Klassenzugehörigkeit. Die meisten von ihnen hatten vor ihrer Berufung an das höchste Gericht nicht als Strafverteidiger gearbeitet. Entweder waren sie Richter an einer der unteren Gerichtsinstanzen oder sie waren Gesetzgeber, und viele waren zuvor Staatsanwälte. Aufgrund seiner Erfahrungen war Marshall also in der Lage, ihren Horizont zu erweitern und ihnen aufzuzeigen, was Recht und Gesetz bedeuteten im wirklichen Leben. Er hatte sicher einen tiefgreifenden Einfluß auf die ehemalige oberste Richterin Sandra Day O’Connor. Wenn man sich ihre anfängliche Rechtsprechung und dann ihre späteren Entscheidungen genau ansieht, erkennt man die unmittelbaren Auswirkungen des Einflusses von Thurgood Marshall.

Amy Goodman: Könnten Sie außerdem noch den Fall von Trayvon Martin und die Occupy-Bewegung kommentieren?

Mumia Abu-Jamal: Was Trayvon angeht, den kleinen Jungen, der auch der Sohn des Präsidenten der Vereinigten Staaten hätte sein können, und was in seinem Fall passiert ist, dann ist es meine echte Überzeugung, daß es nur noch eine Frage von Wochen oder Monaten ist, bis wir davon hören, daß ein Gericht auf die Immunität des Todesschützen Mr. Zimmerman erkennt und die Anklage gegen ihn völlig fallenlassen wird. Er wird niemals ein Gefängnis von innen sehen.
Bezüglich der Occupy-Bewegung denke ich, daß sie einer der größten Fortschritte der Demokratiebewegung unserer Zeit ist. Sie wird durch die Wirtschaftskrise weiter vorangetrieben...

(Automatische Ansage: Es bleiben Ihnen noch 60 Sekunden.)

Mumia Abu-Jamal: …Sie wird durch die Wirtschaftskrise vorangetrieben, von der die Vereinigten Staaten betroffen sind und besonders auch junge Leute, die das College abgeschlossen haben und sich keine Hoffnung auf einen Job machen können, die nicht auf eine Zukunft oder ein Leben ohne das Damoklesschwert einer entsetzlichen und lähmenden Schuldenlast hoffen können, das über ihren Köpfen hängt. Demgegenüber hat die Occupy-Bewegung etwas Wunderbares geschaffen, aber das war nur der erste Schritt. Es gibt noch viel zu tun, noch viel Wichtigeres zu tun, nämlich sich mit den anderen Basisbewegungen im ganzen Land zu verbinden und...

(Automatische Ansage: Es bleiben Ihnen noch 30 Sekunden.)

Mumia Abu-Jamal: …und einen Widerstand zu entwickeln, der dieses Land verändern kann. Zum Schluß danke ich allen ganz herzlich für diese wunderbaren Augenblicke.

Amy Goodman: Mumia Abu-Jamal, nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Alles Gute zu Ihrem 58. Geburtstag.

Mumia Abu-Jamal: Oh, danke. Vielen Dank, Amy.

Danny Glover: Auch von mir herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mumia.

Mumia Abu-Jamal: Danke, Danny. Alles Gute. On a move.

Danny Glover: Wir sehen uns bald.

Mumia Abu-Jamal: In Ordnung, Bruder.

Amy Goodman: Mumia Abu-Jamal, der mit uns aus dem Staatsgefängnis Mahanoy in Pennsylvanien gesprochen hat. Hören Sie uns noch, Mumia? Nein, die Leitung ist eben automatisch unterbrochen worden. Danny Glover, was denken Sie, wenn Sie hier sitzen und Mumia Abu-Jamal reden hören und wissen, daß er nicht mehr im Todestrakt sitzt?

Danny Glover: Nun, der Anfang ist gemacht, wie er selbst sagt. Genau wie er es im Hinblick auf die Occupy-Bewegung gesagt hat, der Anfang ist gemacht. Wir müssen einen Weg finden, ihn »mit allen Mitteln«, wie es jemand (Malcolm X – d. Red.) gesagt hätte, ihn also mit allen rechtlichen Mitteln kollektiv, als Gemeinschaft, nicht nur in diesem Land, sondern überall auf der Welt, zu befreien und ihn wieder nach Hause zu bringen.

Nermeen Shaikh: Danny Glover, Ihre Gedanken über Trayvon Martin und Mumia Abu-Jamal, mit dem wir gerade gesprochen haben? Unterscheidet sich das heutige Strafjustizsystem sehr stark von dem in der Zeit, als Mumia Abu-Jamal verurteilt wurde?

Danny Glover: Sicher sind die Rahmenbedingungen heute andere. Aber es hat sich nichts grundlegend geändert. Ich kenne diese Orte, von denen Mumia spricht, durch Besuche. Wo es eine Karawane von Rollstuhlfahrern gibt, die lebenslang eingesperrt sind. Nehmen Sie zum Beispiel das Soledad-Gefängnis in Kalifornien. 40 Prozent der Gefangenen dort sind Lebenslängliche. Oder nehmen Sie das Vacaville-Gefängnis, zwei Orte, die ich im vergangenen Jahr besucht habe. Auch dort sind 40 Prozent der Insassen Lebenslängliche, »Lifers«, wie sie genannt werden. Die Realität ist also, daß sich daran nichts geändert hat. Der Lauf der Dinge unter diesen Verhältnissen, also von der Highschool über das Leben im Stadtteil bis ins Gefängnis ist immer noch der gleiche.
Wesentlich ist – und wir müssen uns an diesem Punkt daran erinnern, daß es damals, als Mumia wegen des Verbrechens beschuldigt wurde, eine Menge staatliche Maßnahmen wie das COINTELPRO (Akronym für Counter Intelligence Program. Es steht für ein Programm der US-Bundespolizei FBI, das auf die Störung von politischen Organisationen innerhalb der USA abzielte. Siehe auch jW-Thema vom 15. Februar 2012 – d. Red.) gab, mit denen nicht nur Bewegungen zerschlagen, sondern auch junge Leute davon abgebracht werden sollten, sich in ihrem Umfeld auf verschiedene Weise fortschrittlich zu entwickeln und zu radikalisieren. Und hier ist also Mumia, der Journalist, der er nun mal zuallererst ist…

Amy Goodman: Wir haben nur noch fünf Sekunden …

Danny Glover: … ein Journalist.

Amy Goodman: Wir reden einfach nach der Sendung weiter.

Danny Glover: Er ist derjenige, der angegriffen wird – zuallererst als Journalist – für die Wahrheiten, über die er schreibt und für die er steht.

Amy Goodman: Danny Glover, wir danken Ihnen dafür, daß Sie bei uns waren. Wir werden dieses Gespräch fortsetzen und es online ins Netz stellen auf www.democracynow.org.

[Übersetzung: Jürgen Heiser]

Informationen im Internet:
www.freemumia.com
www.transafrica.org
www.freedom-now.de

Mumia Abu-Jamal (58), Journalist und Menschenrechtsaktivist, wurde 1982 in einem von Rassismus geprägten Prozeß wegen angeblichen Polizistenmordes zum Tode verurteilt. 1995 und 1999 konnten seine Verteidigung und internationale Proteste die Hinrichtung des früheren Black Panthers nur kurz vor dem jeweiligen Termin verhindern. Nach jahrzehntelangem Rechtsstreit hob im Herbst 2011 ein Bundesgericht das Todesurteil endgültig als »verfassungswidrig« auf und wandelte es in lebenslange Haft ohne Bewährung um. Seine Verurteilung wegen Polizistenmordes wurde allerdings trotz vieler Unschuldsbeweise vom Obersten Gerichtshof der USA abgesegnet. Verteidigung und Solidaritätsbewegung kämpfen juristisch und politisch für seine Freilassung.

Danny Glover (65) ist US-amerikanischer Schauspieler und Regisseur. Seinen Durchbruch schaffte er mit Filmen wie »Flucht von Alcatraz« (1979) und »Die Farbe Lila« (1985). Wie Mumia Abu-Jamal war er Ende der 1960er Jahre Mitglied der Black Panther Party. Heute arbeitet er politisch als Vorstandsvorsitzender des Forums »TransAfrica – Gerechtigkeit für die afrikanische Welt«, der ältesten und größten afroamerikanischen Menschenrechtsorganisation, als UNICEF-Sonderbotschafter und als Korrespondent des südamerikanischen Nachrichtensenders »teleSUR«. Er setzt sich intensiv für die Freilassung politischer Gefangener wie der »Cuban Five« und Mumia Abu-Jamal ein.

»Democracy Now!« ist ein US-Nachrichten- und Politikmagazin, dessen Programm von über tausend freien Hörfunk-, TV- und Internetsendern in den USA und im Ausland übernommen wird. Produziert wird das tägliche Programm vom nichtkommerziellen Radionetzwerk Pacifica Radio in Kalifornien. »Now!« wurde 1996 von einem Journalistenkollektiv um Amy Goodman und Juan Gonzales gegründet. Goodman ist Produzentin und Hauptmoderatorin des unabhängigen Magazins, das sich über Spenden finanziert.


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Stand: 23.11.2024 um 22:23:04 Uhr