Aus: junge Welt Nr. 206 – 4. September 2012 / Das Gespräch führte Claudia Wangerin
Sie haben den Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London getroffen. Welchen Eindruck haben Sie von diesem Austausch mitgenommen?
Es war überraschend, ihn so optimistisch und kämpferisch zu sehen. Wir haben eine ganze Reihe von Dingen besprochen, insbesondere auch, wie die Solidaritätsarbeit intensiviert werden kann und welche Chancen sich bieten, um den Druck auf die britische Regierung zu erhöhen. Zentral ist auch, wie eine größere Öffentlichkeit für den Wikileaks-Informanten Bradley Manning geschaffen werden könnte. Mit Manning sitzt derjenige in Haft, dem vorgeworfen wird, geheime Dokumente über Kriegsverbrechen im Irak veröffentlicht zu haben, während der frühere US-Präsident George Bush und der damalige britische Premierminister Tony Blair als Verantwortliche nicht mit einem Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof rechnen müssen, wie es zum Beispiel Erzbischof Desmond Tutu fordert.
Ecuadors Präsident bezeichnet Assange als politischen Flüchtling. Grundlage des schwedischen Auslieferungsbegehrens sind aber ihm vorgeworfene Sexualdelikte.
Die politische Dimension des Falls Assange steht spätestens seit der britischen Drohung, die Botschaft Ecuadors in London unter Mißachtung des Völkerrechts zu stürmen, außer Zweifel. Der Grund für die Verfolgung von Assange liegt in der Veröffentlichung von Geheimdokumenten über die US-Kriegsführung. Das ist eine politisch motivierte Verfolgung. Aus völkerrechtlicher Sicht ist unzweifelhaft, daß die Auslieferung, auch über sogenannte sichere Drittstaaten, in ein Land, in dem jemandem die Todesstrafe droht, ein international anerkannter Fluchtgrund ist. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet es in Artikel 33, einen Flüchtling in Gebiete auszuweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen einer politischen Überzeugung bedroht wäre. Ecuador hat daher richtig gehandelt, als es ihm Asyl gewährte. Ich denke, man muß sich für diesen mutigen Schritt noch einmal bei Präsident Correa bedanken. Die deutsche Haltung ist wieder einmal beschämend, weil sie die britische und US-Position einfach nur unterstützt. Aber das paßt ja zur Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes am Irak-Krieg und zum Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan.
Wäre Assange froh, sich den Vorwürfen stellen zu können, um sie zu entkräften, wenn ihm keine Auslieferung in die USA drohen würde?
Die Vorwürfe sind in der Tat ernstzunehmen. Man sollte sie nicht relativieren. Assange hat mehrmals erklärt, daß er sich der schwedischen Staatsanwaltschaft stellt, sofern ihm zugesichert wird, nicht an die USA ausgeliefert zu werden. Sowohl Schweden wie auch Großbritannien haben diese Zusicherung bisher verweigert. Warum Schweden es auch abgelehnt hat, ihn in Großbritannien zu verhören, bleibt das Geheimnis der schwedischen Regierung. Ich will mir diese Positionen noch einmal von schwedischen und britischen Diplomaten in Berlin erläutern lassen. Bezeichnend ist hierbei die Rolle Großbritanniens, das 1998 aus »humanitären Gründen« die Auslieferung des Massenmörders Pinochet an Spanien verweigerte.
Sie wollen alles für eine die Menschenrechte wahrende Lösung des diplomatischen Konfliktes unternehmen. Welche Szenarien sind denkbar?
Eine mögliche Lösung wäre, wenn sowohl die britische wie auch die schwedische Regierung eine Auslieferung in die USA ausschließen würden und Assange sich einem rechtsstaatlichen Verfahren in Schweden stellen könnte. Bisher verweigern dies beide Regierungen. Assange droht damit ein ähnliches Schicksal, wie Bradley Manning, der in US-Militärhaft sogar gefoltert wurde.
Inwieweit unterstützt die Linkspartei Ihr Engagnement?
Es gibt einen einstimmigen Beschluß unserer Bundestagsfraktion zu Wikileaks und zu allen Einschüchterungsversuchen gegen Wikilekas bereits aus dem Jahr 2010 wo es heißt »Die Linke begrüßt die Überwindung von Herrschaftswissen« und »Die Unterstützerinnen und Unterstützer von WikiLeaks haben unsere Solidarität.« Ich habe im Vorfeld meines Besuchs aus der Linken, aber auch von anderen großen Zuspruch erfahren, der mich ermutigt, an der Sache dranzubleiben. Im Moment versuche ich, eine Besuchserlaubnis von den US-Behörden für Bradley Mannning zu erhalten, die mir bisher nicht bewilligt wurde.