Kolumne # 620 vom 10.11.2012: Die Wahlen und das Geld

10.11.12 (von maj) Entscheidungsshow über die US-Präsidentschaft hat über sechs Milliarden Dollar gekostet

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 262 – 10./11. November 2012

Die US-Präsidentschaftswahlen von 2012 waren ein lehrreiches Meisterstück, wofür in den Vereinigen Staaten viel Geld da ist – anders als für die Lösung gegenwärtiger und künftiger Probleme. Laut einigen Presseberichten hat der Wahlkampf über sechs Milliarden US-Dollar gekostet, die größtenteils in die Medienindustrie geflossen sind. Den Buchhaltern einiger Nachrichtenredaktionen, Radio- und Fernsehsender muß das Ganze wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest vorgekommen sein. Das Übermaß an bezahlten Werbespots war einfach atemberaubend!
In der Wahlkampagne ging es nicht um große politische Ideen, sondern um die Personen der beiden Spitzenkandidaten und ob man sie sympathisch fand oder nicht. In dieser Hinsicht punktete Barack Hussein Obama, weil er mehr zu bieten hatte als sein Herausforderer Willard Mitt Romney.
Was die Finanzierung betrifft, war der Wahlkampf beeinflußt von einer unpopulären Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA. Im Verfahren »Citizens United gegen Bundeswahlkommission« hatte das höchste US-Gericht im Januar 2010 festgelegt, daß Unternehmen und andere juristische Personen künftig die gleichen Rechte genießen wie natürliche Personen. Damit wurde die bisherige Praxis, daß Parteispenden nur Personen, nicht aber Unternehmen erlaubt waren, als verfassungswidrig eingestuft.
Trotzdem wurde Obamas Sieg nicht im Handstreich errungen, sondern durch die hartnäckige Organisationsarbeit seines Wahlkampfteams und die Unterstützung seiner Wähler in der jüdischen Gemeinde, von 71 Prozent der hispanischen Bevölkerung, der Mehrheit der Frauen, der Schwarzen und der Arbeiterinnen und Arbeiter in den US-Bundesstaaten Ohio und Pennsylvania. 2008 gewann Obama gegenüber seinem Herausforderer John McCain mit einem Vorsprung von über neun Millionen Stimmen. Diesmal waren es nur noch zwischen 2,3 und drei Millionen Stimmen Unterschied. Aber egal wie knapp er auch ausgefallen sein mag – ein Sieg ist ein Sieg.
Obama, der in seiner politischen Karriere selbst Erfahrungen als Organisator an der gesellschaftlichen Basis sammelte, setzte im Wahlkampf unter seinen Anhängern Himmel und Hölle in Bewegung und errang so eine bequeme Mehrheit bei den Wahlmännern im »Electoral College«. 270 Stimmen hätte er dort auf sich vereinen müssen, aber mit seinem Sieg in Ohio hatte er sogar schon 303 Stimmen in der Tasche, als der Bundesstaat Florida noch nicht ausgezählt war.
Die Mehrheit der weißen US-Amerikaner hat nicht für Obama gestimmt, aber das war für seinen Wahlsieg auch nicht notwendig. Das bedeutet, daß sich die Wählerschaft in den USA wandelt und daß Barack Obama als US-Präsident in gewisser Weise diese Veränderung widerspiegelt. Aber es stimmt auch, daß sich die Republikanische Partei selbst ein Bein gestellt hat, indem sie einen Kandidaten nominierte, der so viele Angriffspunkte bot. Schließlich haben die abwegigen Kommentare der republikanischen Senatoren Todd Akin und Richard Mourdock, nach einer Vergewaltigung sei eine Schwangerschaft »ein Geschenk Gottes«, und die anfängliche Weigerung Romneys, sich von diesen Äußerungen zu distanzieren, ihm auch in der größten Gruppe der Wählerschaft geschadet: bei den Frauen.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 24.11.2024 um 00:16:53 Uhr