Kolumne # 642 vom 13.04.2013: Der Krieg als Goldgrube

13.04.13 (von maj) Während Schulen und Bibliotheken geschlossen werden, boomen die Waffenschmieden

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 86 – 13./14. April 2013

Bei näherer Betrachtung der Geschichte der USA kann es einem leicht passieren, daß man dieses Land für kriegslüstern hält. Aber auch wenn eine solche Bewertung formal korrekt erscheint, wäre sie doch irreführend, weil sie nicht die gesellschaftlichen Kräfte benennt, die ein bestimmtes Interesse daran haben, Menschen in den Krieg zu treiben. An vorderster Front stehen die Medien, weil sie die propagandistische Begründung für den Krieg verbreiten. Dann kommt der Staat, dem die Rolle zufällt, die nationalbornierte Kulisse für das Kriegstheater zu liefern. Zuletzt sind dann die wohl wichtigsten Kräfte zu nennen – die Rüstungsindustrie und ihre Lobbyisten, die meist der eigentliche Motor des Krieges sind. Denn in jedem Krieg, egal aus welchen konkreten Gründen er begonnen wurde, schlagen bestimmte Wirtschaftskreise Kapital aus dem Elend und dem Gemetzel des militärischen Konflikts.
Zur Veranschaulichung können wir zurückgehen bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg, der mit Abstand der verlustreichste Krieg der USA war. Einige Großfirmen der Fleischindustrie stiegen in den vier Jahren des Krieges zu einem starken Wirtschaftszweig auf, weil zum einen die explosionsartig anwachsende Zahl der Soldaten beider Armeen und zum anderen Millionen von Zivilisten mit Nahrung zu versorgen waren. Soldaten wie Zivilisten gewöhnten sich erstaunlich schnell an die neue Art der auf gigantischen Schlachthöfen in Fließbandproduktion produzierten Lebensmittel und ließen sich das Fleisch aus Blechkonserven schmecken.
Waffenschmieden, Munitionsfabriken, Hersteller von Kampfflugzeugen, Bombenkonstrukteure – die Aufzählung könnte fortgesetzt werden, und bevor man sich’s versieht, befindet man sich schon mitten im militärisch-industriellen Komplex der USA. Krieg ist das ganz große Geschäft, und wenn wir diese Waffen nicht selbst fleißig gegen ein anderes Land einsetzen, dann verkaufen wir sie halt an unsere sogenannten Verbündeten, die sie zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung oder in den Materialschlachten lang andauernder Grenzkriege gegen ihre Nachbarn einsetzen.
Entgegen ihrem Gerede von »Frieden« und »Stabilität« sind die USA heute der mit Abstand größte Waffenhändler in der Welt. Parlamenta­rier des US-Kongresses fungieren als Waffenlobbyisten, und zwar nicht erst nach, sondern schon während ihrer Amtszeit als gewählte Senatoren. Und während in den Großstädten der USA Schulen dichtgemacht werden und Bibliotheken für immer ihre Pforten schließen, werden gleichzeitig die Polizeieinheiten in denselben Städten mit Kriegswaffen hochgerüstet – zum Kampf gegen den »Feind« im aktuell angesagten Pseudokrieg: den »Terrorismus«. Während wir also dabei sind, die Lunten für die Kriege der Zukunft zu legen, verriegeln wir die Türen zum Reich des Wissens und der Vernunft.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 24.11.2024 um 01:30:07 Uhr